Interview mit Dr. Jonas Löher: Fintechs in der KMU-Finanzierung

Interview mit Dr. Jonas Löher: Fintechs in der KMU-Finanzierung

Das IfM hat die Studie "Fintechs: Chancen für die KMU-Finanzierung?" veröffentlicht. Wir hatten die Chance, uns mit einem der Autoren zu unterhalten.

Teylor

Das IfM hat die Studie "Fintechs: Chancen für die KMU-Finanzierung?" veröffentlicht. Wir hatten die Chance, uns mit einem der Autoren zu unterhalten.

Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lage, Entwicklung und Probleme des Mittelstands zu erforschen. Im Rahmen der Studie “Fintechs: Chancen für die KMU-Finanzierung?” hat ein Team des Instituts nun die Potenziale von Fintechs für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) untersucht.

Dazu haben wir uns mit Dr. Jonas Löher unterhalten, der die Studie mitverfasst hat. Herr Dr. Löher beschäftigt sich seit Jahren unter anderem mit den Finanzierungsmöglichkeiten für mittelständische Unternehmen. Beim IfM ist er für die Fachbereiche Finanzierung, Entrepreneurship und Digitalisierung zuständig. Zuvor war er an der Universität Siegen und als Berater im Bereich Venture Capital in Frankfurt tätig.

Die komplette Studie finden Sie hier, weitere Informationen über das IfM bekommen Sie hier.

Dr. Jonas Löher, Institut für Mittelstandsforschung in Bonn 

Sie beschreiben in Ihrer Studie, wie Fintechs manche Finanzierungen erst ermöglichen, Finanzierungsprozesse beschleunigen und teilweise bessere Kreditkonditionen anbieten als klassische Kreditgeber. Werden digitale Kreditplattformen in Zukunft eine größere Rolle in der KMU-Finanzierung spielen?

Langfristig werden digitale Kreditplattformen sicherlich bei der KMU-Finanzierung eine größere Rolle spielen – nicht zuletzt, weil die kleinen und mittleren Unternehmen in den vergangenen Monaten positive Erfahrungen mit Dienstleistungen gemacht haben, die pandemiebedingt nur digital erbracht werden konnten. Zugleich werden aber auch Technologien und Anwendungen wie Blockchain und Pay-Per-Use an Bedeutung gewinnen.

Eine der Herausforderungen der Fintechs ist das Hausbankprinzip. Eine Studie des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand fand jedoch, dass 62 Prozent aller KMU sich mehr Unabhängigkeit von der Hausbank wünschten. Verliert die klassische Hausbank an Bedeutung, wenn die jüngere, digital-affine Generation zunehmend Verantwortung in KMU übernimmt?

Nicht unbedingt. Vergessen Sie nicht, häufig besteht zwischen Hausbank und KMU-Geschäftsführung eine langjährig gewachsene Vertrauensbasis, die noch immer entscheidend für die Wahl des Finanzierungspartners ist. Auch scheint die persönliche Beratung weiterhin den Algorithmus zu schlagen, wenn es um komplexere, beratungsintensivere Finanzierungen wie etwa M&A-Aktivitäten und Expansionsgedanken geht. Für Fintechs bedeutet das, dass sie diesen Vertrauensvorsprung zunächst aufholen müssen, um bei einigen KMU Fuß fassen zu können. Die Kundengewinnung ist somit oftmals schwierig. Denkbar sind da etwa Kooperationen mit einem Bankenpartner, der seinen KMU-Kunden in bestimmten Situationen Fintech-Lösungen näherbringt.

Ihre Studie zeigt auf, dass etablierte Banken in Folge des Wettbewerbsdrucks durch Fintechs ihre Geschäftsmodelle überdenken müssten. Wie wird sich die Bankenlandschaft in puncto KMU-Finanzierung in den nächsten Jahren verändern?

Der erhöhte Wettbewerbsdruck hat dazu geführt, dass viele etablierte Banken inzwischen ihre Geschäftsprozesse hinterfragen und gezielt Kooperationen mit Fintechs eingehen. Dennoch rechnen wir nicht mit einem Umsturz der Marktverhältnisse in der Bankenlandschaft. Vielmehr erwarten wir, dass sich die Dienstleistungen und Prozesse in der KMU-Finanzierung kontinuierlich weiterentwickeln.

Unternehmen, die während der COVID-Krise positive Erfahrungen mit digitalen Lösungen gemacht haben, könnten laut Ihrer Studie in Zukunft vermehrt Angebote von Fintechs nutzen. Erkennen Sie auch in Banken ein solches Umdenken während der Krise, dass die Digitalisierung weiter beschleunigen wird?

Ja, das erkennen wir durchaus. Etablierte Banken kooperieren zunehmend mit Fintechs, indem sie selbst als Plattformen aktiv werden. Dabei integrieren sie zunehmend Fintech-Lösungen in ihr digitales Ökosystem. Konkret erfolgt dies häufig auf die folgende Weise: Bank und Fintech teilen sich – je nach Dienstleistung – die Wertschöpfung auf: Während die Banken zunehmend große, langfristige Finanzierungen realisieren, bieten die Fintechs beispielsweise kurzfristige Kleinkredite an. Ähnlich verhält es sich bei Dienstleistungen, die nicht unbedingt zur Kernkompetenz der Banken gehören, wie beispielsweise innovative Analysetools, damit die Unternehmen ihre eigene Finanzsituation besser durchleuchten können.

Alle politische Parteien sprachen vor der Bundestagswahl von Bürokratieabbau. Sollte die neue Bundesregierung den Fintech-Sektor stärker unterstützen, da zum Beispiel digitale Kredite für KMU weniger Bürokratie und weniger Aufwand bedeuten?

Fintechs leisten zweifellos einen Beitrag, um die Effizienz bei der KMU-Finanzierung zu erhöhen. Dies stärkt letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Dennoch benötigt der Fintech-Sektor keine stärkere Unterstützung. Stattdessen ist es sinnvoll, dass staatliche Finanzierungsunterstützung dort zurückgefahren wird, wo Fintechs Finanzierungsprobleme der KMU durch ihr Geschäftsmodell marktgerecht lösen können.