Trends in der Unternehmensfinanzierung: digital, schnell, maßgeschneidert

Trends in der Unternehmensfinanzierung: digital, schnell, maßgeschneidert

Die Unternehmensfinanzierung ist im Wandel. Neue Finanzierungsformen und die Digitalisierung haben die Möglichkeiten und die Anforderungen von Unternehmen verändert. Wir haben uns deshalb mit dem Finanzierungsexperten Dr. Franz J. Beeler unterhalten.

Teylor

Die Unternehmensfinanzierung ist im Wandel. Neue Finanzierungsformen und die Digitalisierung haben die Möglichkeiten und die Anforderungen von Unternehmen verändert. Wir haben uns deshalb mit dem Finanzierungsexperten Dr. Franz J. Beeler unterhalten.

Dr. Beeler beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Innovation & Venture Management & Consulting für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Jungfirmen, Start-ups sowie Manager, Unternehmer & Selbständige: Von der Geschäftsidee, zum Business-Plan bis hin zur Finanzierung und Realisierung neuer Technologie-Innovationen.

Er hat zudem im Jahr 2019 die TechnoVenture GmbH gegründet, die sich mit der Entwicklung und dem Betrieb von FinTech-Technologien, -Anwendungen und -Portalen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Selbständige und Gewerbetreibende beschäftigt.

Lukas Hofer von Teylor unterhält sich mit Herrn Dr. Beeler über die Mittelstandsfinanzierung, typische Fehler, die Vorteile digitaler Kreditplattformen und Finanzierungstrends während und nach der Coronakrise.  

Dr. Franz J. Beeler

Sie beschäftigen sich seit über 20 Jahren mit Unternehmensfinanzierungen. Welche typischen Fehler machen mittelständische Betriebe bei der Zusammenstellung ihrer Finanzierung?

Dr. Beeler: Noch allzu oft ist insbesondere bei Kleinunternehmen und Selbständigen die Hausbank die alleinige Anlaufstelle bei Finanzierungsfragen. Man nimmt noch immer die langen Wartezeiten der Hausbank in Kauf, ist dann erleichtert, wenn die Kreditzusage erfolgt, ohne dabei die Kreditbedingungen (z.B. Zinsen) zu hinterfragen. Damit wird auf lukrative Sparmöglichkeiten durch Kreditvergleich verzichtet, wie es beispielsweise digitale Kreditplattformen mit wenigen Klicks möglich machen.

Der Grund für das hohe Sparpotenzial liegt darin, dass bei der Evaluation von Krediten für Kleinfirmen und Selbständige kaum einheitliche Bemessungskriterien vorliegen, d.h. verschiedene Kreditinstitute verwenden bei der Antragsprüfung relativ unterschiedliche Prüfungskriterien. Entsprechend sind dann auch die Konditionen und Zinsen sehr unterschiedlich. Viele Kreditsuchende sind sich dessen nicht bewusst. Gemäss unserer Erfahrung und vieler Kundenfeedbacks ergeben sich mittels Firmenkredit-Vergleich nicht nur Einsparungen bis zu 30%, sondern auch höhere Chancen auf eine Finanzierungszusage. Denn wenn eine Online-Anfrage gleichzeitig an mehrere Banken geht, ist natürlich die Chance auf einen positiven Kreditentscheid grösser als nur bei einer Bank.

Ein weiterer typischer Fehler ist, dass der gewohnte Standard-Kredit der Hausbank (irrtümlich) noch immer unabhängig vom spezifischen Finanzierungsproblem als einzige Lösung gesehen wird. So wäre beispielsweise bei Liquiditätsproblemen aufgrund eines größeren Bestandes ausstehender Rechnungen die Finanzierungsvariante Factoring die bessere Lösung als der klassische Bankkredit, welcher das eigentliche Problem nicht löst und nur noch verschlimmert. Oder bei gewerblichen Immobilien die Finanzierungsvariante Immobilienfinanzierung, bei welcher die Immobilie selbst als Sicherheit für den Kreditgeber steht und damit günstiger ist als der normale Bankkredit.

Welche Möglichkeiten gibt es zur Finanzierung von Innovationsprojekten?

Dr. Beeler: Bei betrieblichen Investitionen (z.B. neue Produkte) oder Wachstumsfinanzierungen wird meist vergessen, dass hier interessante staatliche Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen. In Deutschland gibt es derzeit über 1.700 Förderprogramme auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene. Diese Situation ist paradox, denn die vielen Fördermittel wurden speziell zur Unterstützung von Kleinfirmen geschaffen. Hausbanken sind bezüglich Fördermittel in der Regel heillos überfordert und auch nicht in der Lage, Unternehmen hinsichtlich Förderfinanzierung zu beraten. Im Gegensatz zur Hausbank bieten moderne FinTech-Plattformen bereits heute den automatischen Fördermittel-Check an, d.h. bei jeder Finanzierungsanfrage wird überprüft, ob eines oder mehrere der 1.700 Förderprogramme des deutschen Staates oder der europäischen Union zur Finanzierung herangezogen werden können.

Da Förderinstrumente jedoch wenig genutzt werden und unternehmensintern die nötigen finanziellen Ressourcen kaum vorhanden sind, landen viele innovative Ideen und Projekte von KMU in der berühmten unteren Schublade. Auch geht oft vergessen, dass durch organisatorische Innovationen neue Finanzierungsoptionen geschaffen werden können: Durch Spin-off Bildung, d.h. Abspaltung bzw. Auslagerung in ein hierfür neu gegründetes Startup-Unternehmen, könnten völlig abgetrennt vom Kerngeschäft neue Geschäftsideen auch mittels Venture Capital (Risikokapital) finanziert werden. Mit diesem Ansatz würde das Kerngeschäft nicht belastet und auch das Risiko eines allfälligen Misserfolgs wäre relativ überblickbar. Während Venture Capital in den USA ein gängiges Finanzierungsinstrument ist, wird diese Chance hierzulande von KMU kaum genutzt.

Viele Unternehmen nutzen angesichts der momentanen wirtschaftlichen Lage Firmenkredite zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen. Worauf sollten Mittelständler bei der Aufnahme von Firmenkrediten in der Krise achten?

Dr. Beeler: Zur Überbrückung einer Liquiditätslücke ist die Schnelligkeit der Kreditvergabe matchentscheidend! Die schnelle Kreditlösung zur Überbrückung von Finanzierungsengpässen – so genannter Überbrückungskredit – ist nicht nur in Krisenzeiten die meistgesuchte Finanzierungsform von KMU und Selbständigen. Das Geschäftsmodell der Hausbanken ist in der Regel auf längerfristige Kreditfinanzierungen ausgerichtet. Wenn eine zeitkritische Zwischenfinanzierung benötigt wird, erweist sich die Hausbank kaum als der geeignete Partner. Hier gibt es bereits heute auf kurzfristige, schnelle Kreditlösungen spezialisierte FinTech-Unternehmen, die den Kreditvergabeprozess von der Anfrage über die Bonitätsprüfung des Antragstellers bis hin zur Kreditauszahlung vollständig digitalisiert haben. Wir haben in der Corona-Krise festgestellt, dass viele KMU diese neuen Finanzierungsmöglichkeiten vermehrt nutzten. Insbesondere Corona-Hilfsprogramme (u.a. KfW-Förderung) wurden vielfach über digitale Finanzierungsportale angefordert.

Aktuelle Studien geben Ihnen recht: Immer mehr Mittelständler suchen nach Alternativen zu ihrer Hausbank. Werden Kredite in Zukunft überwiegend online beantragt werden?

Dr. Beeler: Der so genannte Paradigmenwechsel in der Unternehmensfinanzierung hat bereits stattgefunden. Was bei Konsumkrediten schon seit vielen Jahren zugunsten der Verbraucher stattgefunden hat, gilt nun zunehmend auch in der Firmenfinanzierung: Firmenkredite bequem von zuhause aus online beantragen und vergleichen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und den neuen FinTech-Anwendungen werden, ähnlich wie die Verbraucher bei Konsumkrediten, die Firmenkunden von Finanzdienstleistern und Banken umworben. Mit der neuen FinTech-Ära übernimmt der Firmenkunde den Lead und bestimmt selbst, welches Angebot und welcher Finanzdienstleister oder welche Bank zum Zuge kommt. Endlich sind die Zeiten vorbei, wo KMU in der Rolle des Bittstellers bei der Bank um ein Darlehen zu fragen hatten. Der Firmenkunde ist damit – falls er diese neuen Möglichkeiten nutzt - endlich wieder König und darf sich darauf freuen, von Banken und Finanzdienstleistern richtiggehend umworben zu werden.

Wir beobachten seit Ausbruch der COVID-Krise verstärkte Nachfrage nach unserer digitalen Kredit-Software vonseiten deutscher Banken. Findet auch in der Bankenbranche ein grundlegendes Umdenken hin zu mehr digitalen Finanzierungslösungen statt?

Dr. Beeler: Die ganze Finanz- und Bankenbranche befand sich schon vor Corona in einem tiefgreifenden Wandel. Dieser Transformationsprozess wird jetzt mit COVID einfach noch beschleunigt. Viele Bankinstitute arbeiten intern sehr intensiv an neuen digitalen Finanzierungs- und Automatisierungslösungen unter Nutzung von Blockchain- und FinTech-Anwendungen. Das Innovations- und Sparpotential ist riesig und wer hier den Anschluss verpasst, wird das Nachsehen haben. Wir sehen in der FinTech- und Blockchain-Szene auch vermehrt Zusammenarbeiten zwischen Banken und Startup-Firmen.

Zum Schluss noch ein Ausblick: Welche Trends sehen Sie derzeit bei der Unternehmensfinanzierung und wo sehen Sie in den nächsten fünf Jahren das größte Innovationspotenzial?

Dr. Beeler: Der erwähnte Paradigmenwechsel in der Unternehmensfinanzierung wird sich fortsetzen, ganz zum Vorteil auch für kleinere KMU und Selbständige, welche bisher das Nachsehen hatten. Ein KMU geht dann für einen Kredit nicht mehr zu seiner Hausbank, sondern auf eine digitale Kreditplattform und lässt sich das passende Angebot aus Hunderten von Banken und Finanzdienstleistern zukommen. Wir werden analoge Verhältnisse haben wie heute in der Hotelbranche, wo ein Kunde nicht mehr direkt beim Hotel bucht, sondern über ein Buchungsportal quasi per Mausklick viele Hotel-Angebote vergleichen und auswählen kann. Banken übernehmen künftig zunehmend die Rolle des Dienstleisters und Zulieferers für Finanzierungsplattformen, welche im direkten Kundenkontakt stehen und jene Regie übernehmen, welche bisher Banken vorbehalten war.

Ein weiterer Trend sind spezialisierte Finanzierungslösungen, welche auf die individuellen Bedürfnisse des Antragstellers abgestimmt sind: Je nach Unternehmenssituation und Finanzierungsbedarf wird nicht mehr einfach auf den klassischen Bankkredit zurückgegriffen, sondern vielmehr jene Finanzierungsvariante gewählt werden, die zur Lösung des finanziellen Problems am besten passt. Im Zentrum stehen maßgeschneiderte Finanzierungslösungen und nicht mehr Standard-Bankkredite. So können z.B. Finanzierungsformen wie Firmenleasing, Factoring, Gewerbeimmobilien-Finanzierung, Objektfinanzierung, Lagerfinanzierung oder Finetrading die passendere und günstigere Finanzierungsform sein als der gewohnte Standard-Kredit der Hausbank.

Als zusätzlichen Trend sehen wir alternative Wege zur Kapitalbeschaffung ohne Umweg über die Bank, wie etwa Crowdfunding- und Crowdlending-Plattformen, auf denen Privatanleger/Investoren in Projekte von KMU, Selbständigen und Gewerbetreibenden investieren können. Diese zusätzliche Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung außerhalb des klassischen Bankkanals ist insbesondere für Selbständige und Kleinfirmen interessant, welche bei Banken oft aus rein formalen Gründen durchs Raster fallen. Denn seit Inkraftsetzung der verschärften Basel III/IV Vorschriften zur Kreditvergabe haben viele Banken kleinere Firmenkredite und Kredite für Selbständige (Kreditvolumen < 100.000 Euro) aus deren Portfolio gestrichen, da sich für sie der Aufwand im Verhältnis zum Ertrag nicht mehr rechnet.

Auf der Webseite KMU Kredite - Unternehmenskredit-Ratgeber für kleine und mittlere Unternehmen können Sie mehr über die Arbeit von Herrn Dr. Beeler erfahren.